Friedrich

Friedrich Hiob Erdmann Freiherr von Rothkirch und Panthen (1.404),
Journalist und 1861 Mitgründer der „Schweizerischen Handelszeitung“.

„Friedrich von Rothkirch oder auch Friedrich von Tauer, wie er sich nannte, eine journalistische Titanenfigur, über den nicht grundlos 1926 eine Dissertation geschrieben wurde, war ein Feuerkopf sein Leben lang.“(1) mvon Rothkirch gehört zu der stattlichen Zahl der hervorragenden Männer, die uns Deutschland nach 1848 geschenkt, die sich um unser Land große Verdienste erworben und für welche die Schweiz dem deutschen Volke gegenüber dankbar sein darf.“(2)

Friedrich Hiob Erdmann wurde am 21.April 1826 in Lampersdorf Kreis Neumarkt, Reg.Bez. Breslau als ältester Sohn des Freiherrn Friedrich Carl Heinrich von Rothkirch und Panthen (1.368) und dessen Ehefrau Dorothea Henriette geb. von Tempelhoff geboren. Sein Urgroßvater Hans Siegesmund (1.273) hatte 1776 den alten Stammsitz Rothkirch bei Liegnitz nach 300 Jahren durch Kauf wieder in Rothkirch’schen Familienbesitz gebracht. Sein Vater Friedrich Carl Heinrich (1.368) hatte den Besitz mit Grossnig, Lampersdorf, Wischütz, Gr.- und Kl.- Pantken und Neuvorwerk zum Majorat Rothkirch vereinigt. Er wurde am 7.Dezember 1839 in den preußischen Freiherrnstand erhoben. – Nicht Friedrich, sein ältester Sohn, der wohl den Soldatenberuf ergreifen sollte, sondern sein jüngster Sohn Friedrich Anton Valerius wurde vom Vater testamentarisch zum Nachfolger als Majoratsherr bestimmt. Nach seiner Erziehung im Elternhaus wurde Friedrich Zögling der kgl.-preußischen Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde. Von 1842 bis 1845 diente er als Soldat und Offizier beim Garde-Schützen-Bataillon und nahm als Leutnant seinen Abschied.

”Die Zeit desMilitärdienstes hat trotz ihrer Kürze einen nachhaltigen Einfluß auf ihn ausgeübt. Die Eindrücke und Erlebnisse in der Großstadt Berlin ließen ihn die damaligen politischen und sozialen Verhältnisse als unerquicklich erscheinen. Als dann die Revolution 1848 auch die Grundfesten des preußischen Staates bedrohte, schloß er sich zum Entsetzen der streng royalistisch gesinnten Familie mit dem ganzen Feuer seines Temperaments dieser freiheitlichen Bewegung an. Er wurde zu fünfjähriger Festungshaft verurteilt, während der er zum Studium der Nationalökonomie fand. Am 28.Februar 1853 wurde er aus der Haft entlassen und ging nach Dresden. Der Bruch mit Elternhaus und Familie war unvermeidlich. Da er auch in der Elbestadt keinen festen Boden finden konnte, ließ er sich, in der Sorge um seine Zukunft einen Paß nach den deutschen Bundesstaaten, der Schweiz und Sardinien ausstellen. Er durchstreifte unser Land nach allen Richtungen, wohnte eine Weile in Lausanne, dann in Chur, bis er zu Beginn der sechziger

(1) M.Ungerer, Ein Leben für eine Zeitung, Jubiläumsausgabe der „Schweizerischen Handelszeitung“, Zürich, 22.April 1986. (2) Lic.rer.pol. Ernst Blessing, Inaugural-Dissertation, Schaffhausen 1926.

Jahre sich in Zürich dauernd niederließ. Erlebte und arbeitete bis zu seinem Tode am 11.November 1886 in seinem eigenen kleinen Haus in der neuen Beckenhofstraße Nr.14 in Unterstraß.

Siebenundzwanzig Jahre arbeitete von Rothkirch im Dienste der schweizerischen Statistik und Volkswirtschaft. Am 1.Dezember 1861 erschien die von ihm und seinem Freund F.von Marschall gegründete „Schweizerische Eisenbahn- und Handelszeitung“, die heute als uSchweizerische Handelszeitung“ fortlebt und als die erste Handelszeitung in Europa angesehen wird.

In seiner „Schweizerischen Handelszeitung“ hat sich Friedrich von Rothkirch nicht nur mit dem öffentlichen Rechnungswesen, sondern auch mit dem Eisenbahn-, dem Versicherungs-, dem Bank- und Sparkassenwesen auseinandergesetzt. Darüber hinaus nahm er zu allen nationalökonomischen Fragen Stellung.

Keiner wirtschaftlichen oder politischen Gruppe angehörend, in jeder Beziehung vorurteilsfrei, trat von Rothkirch an seine journalistische Tätigkeit immer nur im Dienst der Wahrheit heran. Und unerbittlich, mit der rücksichtslosen Tapferkeit des Edelmannes und Offiziers rückte er allem Schwindel zu Leibe. Sein Einfluß war umso größer, als dieser grenzenlos ehrlichen Offenheit ein origineller, prägnanter, sarkastisch-geistreicher Stil zu Gebote stand und die Reinheit und Unbestechlichkeit seines Charakters, die absolute Makellosigkeit seiner Lebensführung auch von den Gegnern anerkannt war. – Von Rothkirch besaß ein hohes berufliches Pflichtgefühl. Er verlangte vom Journalisten die Befähigung, seine Unabhängigkeit in jeder Beziehung bewahren zu können. (Als einmal der ihm befreundete Direktor einer Großbank eine an dem Institut geübte Kritik scharf fand, schickte von Rothkirch den zur Sicherstellung seines Blattes erheblich beitragenden Annoncenvertrag zerrissen zurück.) Die Pnz’i3,3e,sagt er, .40a zum wahAzn Ozgun deit ögenUichen Meinung weizden; ysie hage die hohe 4u7gage aJ Ai,- dungmi.fteg zu dienen. Von Rothkirch besaß eine fast übermenschliche Arbeitskraft. Bis an sein Ende war sein Leben von ununterbrochener, rastloser Tätigkeit erfüllt.“(1)

Fast drei Jahrzehnte lang ”hat Friedrich von Tauer der Schweizerischen Handelszeitung Tag und Nacht, ja samstags und sonntags, ohne Ferien, ohne Unterbruch in großer Treue gedient. – Von seiner unbestechlichen Art, seiner klaren und liberalen Gesinnung legte er bereits in der ersten Nummer Zeugnis ab. So hieß es dort, daß uuk undene Unaghängigkeii gegen ate und jedefanan in jedeit gedeuienden ()den ungedeaienden bzuge in va-eZem Maße wahnen weiLden..“(2)

Jadurch, daß von Rothkirch jede Pflichtvernachlässigung in öffentlicher Stellung, jede unordentliche Rechnungstellung, jede Vergeudung öffentlicher Gelder und überhaupt alle verworrenen Geschäfte in seinem Blatte geißelte, war er gefürchtet, selbst gehaßt. – Mit der politischen Neugestaltung unseres Staatswesens um die Mitte

vorigen Jahrhunderts setzte auch eine gewaltige Umwälzung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Von entscheidender Bedeutung war namentlich die mit dem Aufkommen der Eisenbahn verbundene Entwicklung der Industrie, des Handels und des Kreditwesens. Die großen Fortschritte, welche die Entwicklung brachte, waren auch von unerfreulichen Erscheinungen begleitet. Neben dem gesunden Geschäftsgeist kam eine maß-und skrupellose Spekulation auf, zu deren Aufdeckung es unserem Volke an genügenden Einrichtungen gebrach, und zu deren Bekämpfung das geltende Recht noch keine genügende Handhabe bot. Unter den wenigen Männern, die dank ihrer Vorbildung die Übel klar erkannten und den Mut fanden, gegen sie und ihre Urheber öffentlich aufzutreten, nahm Freiherr Friedrich von Rothkirch eine hervorragende Stellung ein.(1)

Auch mit den Eisenbahnen ging er hart ins Gericht. Alle ReAenDen delz Vezeinigen Schweizez Bahnen Aind ein gloßeA Spiel den. 1=anaAie, eine „neveniZiche Kombdie, um dem antennehmen einen AAiden AnA-bzich zu gegen, wälmend die maLeizietle InAoivenA de.3 SchuMneAA ,güng3i aut3e7i, Zwei7e1 Aield, zitiert ihn E.Blessing in seiner Dissertation und fährt dann fort, „aber nicht, daß von Rothkirch sich nur auf Kritik beschränkt hätte, er machte auch Rettungsvorschläge, die oft ein erstaunliches Echo erreichten. Auch verstand er es, die zügellose Macht und Profitgier einiger Eisenbahnmagnaten auf ein vernünftiges Maß zurückzuschrauben.“ – Auch M.Ungerer betont in seinem o.a. Artikel, daß Friedrich von Rothkirch sich als „ein harter Kritiker erwies, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berge zurückhielt, der für jede Summe genauestens Rechenschaft verlangte. Für ihn war klar, daß sich der Staat überhaupt keine Schulden leisten sollte, es sei denn zur Überbrückung, wenn die Not es erforderlich mache und die Demokratie gerettet werden müsse. Vielleicht ruft sich mancher heute, da die hohe Verschuldung von Staaten zur Selbstverständlichkeit geworden ist, die alte Schuldenvorstellung Friedrich von Tauers wieder einmal in Erinnerung.“(2)

In seiner Einstellung zur Frage: Staat und Individuum wird seine kompromißlose Ablehnung jeder, die Freiheit des Individuums willkürlich und ungerecht einschränkende Maßnahme deutlich. Er beschränkt den Staatszweck ausschließlich auf die Sichherheit der Bürger und ihrer Freiheit, wobei er unter dieser, wie W.v.Humboldt, die gewißheit devz geAeizmäßigen Ilkeiheid„ versteht. „Man begreift,“ sagt E.Blessing, „den einseitigen Radikalismus dieser Theorie nur, wenn man an ihren Gegensatz, an die gewaltsame bürokratische Vormundschaft, insbesondere auch des preußischen Staates in jener Zeit sich erinnert. Wie die antike Staatslehre das Recht des Staates überspannt hatte, so übertrieb von Rothkirch in entgegengesetzter Richtung das Recht der Individuen. Auf den Staat war er niemals gut zu sprechen. Das nimmt nicht wunder, nachdem er unter dem Staat gelitten hatte.“(3)

„Von Rothkirch sieht in Freiheit und Recht die oge/zAden gitundAdize

.3ein,en Demoknalle. Vo/t3iändige pen,Aneiche Fneiheii. und gute, allgemeine ge4ey..70, 4oAnn i e nichi3 anden.e.3, da Nowendige: die Sichenung den pen/An/ichen FizeilLeid, die gute Ongani4allon der. Rechi.3- p«ege und den Schatz de Lande ,g,ebW4n.“Groß und unvergleichlich war seine Liebe zu seinem zweiten Vaterland. Er suchte ihm in uneigennütziger Weise zu dienen. Er besaß Rückgrat genug, um selbst die höchststehenden Personen anzuklagen und ihre Fehltritte der öffentlichen Erörterung zu überantworten. Aber seine Kritik floß nicht allein aus seinem strengen Rechtsgefühl, sondern auch aus der Liebe zum Lande und zur Freiheit; wie er denn sein Abschiedwort schließt mit den Worten lege ein andenen an meinen Selle die Schweiz egen,3o ehneich und ..neu, agen mich egenm nück6ichUeo.,J _eiegen, wie ich e getan hage.“ (E.Bles – sing, a.a.O. S. 11.)

(1) E.Blessing, a.a.O. S.10. (2) M.Ungerer, a.a.O. 5. 7.

Vorwort des Freiherren Friedrich von Rothkirch und Panthen (1.404) (Pseudonym ‚Taur’) für die erste Ausgabe der von ihm gegründeten

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Eisenbahn- und Handelszeitung

Dirn 11

N2 I

31. )ccbr. 18G1.

Wir bitten den geneigten Leser um Entschuldigung, wenn di e erste Nummer unseres Blattes nur sehr unvollkommen die künftige Einrichtung und Tendenz desselben andeutet. Einesthei 1  s konnte der regelnäßige Eingang der Mittheilungen und Inserate vor dem 1. Januar noch nicht vollständig geregelt sein, andrentheils wird der ohnedies für unsere Wünsche zu beschränkte Raum durch dieses kurze Programm und eine von uns für nöthig erachtete einleitende Uebersicht des schweizerischen Eisenbahnnetzes und der auf dasselbe verwendeten Capiralien ungebührlich in Anspruch genomen.Damit der gegebene Raum nicht in Zukunft noch von anderer Seite her verengt werde, haben wir die Einrichtung getroffen, dass Beilagen zu liefern sind, sobald die Inserate mehr als eine Seite füllen. Ausserordentliche Beilagen werden folgen, wenn eine Anzahl schweizerischer Actiengesellschaften, wie wir zu hoffen Ursache haben, ihre Jahresberichte in besonderen Abdrücken unserer Zeitung beifügen.

Die Aufgabe, welche wir uns gestellt haben, ist eine dreifache. Erstens wünschen wir den geschäftsl eitenden Directionen der schweizerischen Eisenbahn- und anderen Actiengesellschaften ein specielles Organ für ihren Verkehr mit den Actionären und dem ihre Unternehmungen alimentirenden Publicum zu bieten. Von den Lirectionen der Nordostbahn, der Vereinigten Schwei zerbahnen, der Centralbahn, Westbahn und des jure Industriel sind uns schon in diesen Tagen die Zusicherungen ausgedehnter Unterstützung (bestehend in der lieberweisung sämtlicher Inserate einschliesslich der Fahrpläne und der Zusendung von Mittheilungen) zugegangen; wir dürfen glauben, daß die meisten anderen Gesellschaften folgen werden. – Diese Unterstützung, so nothwendig sie unserem Unternehmen ist, wird uns aber nicht hindern, so gut als möglich unseren zweiten Zweck zu erfüllen: dem Publicum, zu dem wir ja selbst gehören, als Organ seiner gerechten Ansprüche an jene Gesellschaften zu dienen, was uns umso weniger in Gewissens- und Interessen-Ganflicte bringen wird, als wir des festen Glaubens sind, dass der Vortheil des Einen auch der wohlverstandene Vortheil des Anderen sei.

Drittens werden wir uns, und zwar mit besonderer Vorliebe, der Erörterung nationalölconornischer, aus dem engen Rahmen scharfbegrenzter Interessen sich erhebender Fragen widmen. Ibr allgemeine Handel wird in diesen Theile unseres Blattes seine vorzugsweise Berücksichtigung finden und zwar theils in grösseren Artikeln, theils in regelmässigen Berichten über den klaren- und Geldmarkt. Unser Mitarbeiter, H. v. Yhrschall, wird sich vorzugsweise mit den dahin gehörigen Arbeiten beschäftigen und durch seine Sachkenntnis die möglichste Gewähr für zuverlässige Ieistungen bieten.

Zum Schluss seien uns noch einige persönliche Bemerkungen gestattet. Die öffentliche

Moral ist so tief gesunken, dass eine Zeitschrift ernster Betheuerungen bedarf, um sich vor den Verdachte der Abhängigkeit zu schützen, dass ein Publicist kaum noch eine Zeile für oder gegen ein financielles Unternehmen schreiben kann, ohne dass die Leute fragen, wem er seine Seele verkauft habe. Lin die unsrige braucht Niemand besorgt zu sein; wenn Talent und Geschick, geistreiche Gedanken und glänzende Combinationen uns fehlen: die Unabhängigkeit des Urtheils wird man nicht vermissen. Das Grundprincip zur Lösung aller theoretischen Fragen ist uns die Freiheit, sie, der wir freilich lieber auf dem rein politischen als auf dem volkswirtschaftlichen Gebiete dienten, die wir aber trotzdem auch hier nach besten Kräften vertheidigen werden. Wo rein materielle Interessen concurriren, werden wir bereitwillig jedes derselben, heisse es z.B. Simplon, Gotthard, Lucmanier oder Septimer, auf dem Boden unseres Blattes verfechten und unsere eigne Meinung über die Vorzüge des Einen oder des Anderen berichtigen sehen. So zuvorkommend wir in dieser Beziehung zu Werke gehen wollen, so scharf werden wir aber jedem Schwindel, jeder beabsichtigten Täuschung des Püblicums entgegentreten und namentlich den frevelhaften Grundsatz bekämpfen, dass die Moral in politischen und öffentlichen Verkehrs-Verhältnissen eine andere sein dürfe, als die, welche im Privatleben heilig gehalten werden soll.

Dem Wohlwollen Derjenigen, welche mit den hier dargelegten Grundsätzen und ZWecken einverstanden sind, empfehlen wir unsere Zeitschrift.