Schottgau

Tuschzeichnung von Elly v. Rothkirch,
ca. 1930

Das Angerdorf Groß Schottgau (Sadkow) liegt sehr nahe nördlich der Autobahn Berlin-Breslau, ungefähr 17 km südwestlich von Breslau. Auf der Autobahn kommend, ist die Abfahrt Kanth (Katy) zu wählen. Man biegt nach Norden ab und fährt über Kanth in das östlich gelegene Reichbergen, früher Schosnitz (Sosnica). Hinter Reichbergen erreicht man nach etwa 2 km den Ort Schottgau. Das Schloß mit dem Gutshof liegt südlich der Ortsmitte, die Kirche auf dem Anger in unmittelbarer Nähe.

Schottgau kam im Jahr 1714 als erstes der fünf Stammhäuser in unsere Familie. Damals erwarb es Hiob Heinrich (1.208), kurz nach der Geburt seines ersten Sohnes Carl Siegismund (1.269), von den Herren v. Arzat. Vorher hatte es den Herren v. Prockendorf und denen v. Haniwaldt auf Pilsnitz und Rothsürben gehört. Carl Siegismund erwarb 1771 Klein Schottgau hinzu. Er vererbte das Gut per Los-Entscheid an seinen unverheirateten Sohn Rudolf Hildebrand (1.315), der es an seinen Großneffen Hugo Bernhard Siegismund (1,398) weitergab. Dessen Nachfolger war Bruno Curt Siegismund (1.401), von dem es bei seinem Tod (15.9.1891) sein jüngster Bruder Oskar (1.403) übernahm und es an seinen Sohn Adalbert (1.432) weitergab. Dieser vererbte Schottgau 1926 an seinen jüngeren Sohn Oskar (1.486), den letzten deutschen Besitzer.

Schottgau besteht aus einem sich nach Süden erstreckenden Hofgeviert mit dem sogenannten „Neuen Haus“ und dem „Schüttboden“ als nördlichen Kopfbauten. Südwestlich des Hofes liegt auf Höhe des Neuen Hauses das „Schlössel“ mit dem relativ großen „Alten Park“.

Anstelle des Neuen Hauses stand bis 1739 ein Renaissanceschloss mit umgebendem Graben. Damals brannte es ab. Wahrscheinlich ließ Hiob Heinrich nach dem Brand zunächst das „Schlössel“ als sein neues Wohnhaus zusammen mit dem Park errichten, bevor er ab 1744 noch kurz vor seinem Tod das „Neue Haus“ auf den Grundmauern des Renaissanceschlosses baute. Das Schlössel ist ein einfaches eingeschossiges symmetrisches fünfachsiges Gebäude mit gebrochenem ausgebautem Krüppelwalmdach. Putzlisenen und Eckquaderungen gliedern den einfachen Bau. Er diente später als Witwensitz. Heute wohnt dort der Gutsverwalter.

Das Neue Haus und der Schüttboden sind als sich gegenseitig bedingende Kopfbauten der bedeutenden barocken Hofanlage zu sehen. Bei dem Neuen Haus handelt es um ein im Kern noch heute bestehendes verputztes siebenachsiges und zweigeschossiges Gebäude mit großem Mansarddach. Für die Gliederungen wählte Hiob Heinrich wie beim Schlüssel Putzlisenen und Eckquaderungen. Der Schüttboden entstand ungefähr gleichzeitig als repräsentativer Fachwerkbau mit großem Holzschindeldach. Er wurde 1937 bis 1939 renoviert.

Kurz vor 1800 ließ der damalige Besitzer und im Jahr 1894 Oskar (1.403) dem wohl seiner Meinung nach unmodernen Bau eine neue Fassade im Stil der Neurenaissance geben. Allerdings beließ er über der Eingangstür das Allianzwappen seines Vorfahren Hiob Heinrich und dessen Ehefrau Maria Helena v. Heugel. Dieses neugestaltete Haus war für den Stil des späten Historismus typisch steinfarben verputzt, um einen Steinbau zu imitieren. 1935 ließ Oskar (1.486) im Inneren Veränderungen wie den Einbau einer Zentralheizung und von WCs vornehmen.

Heute präsentiert sich das Herrenhaus in neuem Glanz. Es ist gelb, die hohen Pilaster seitlich der Eingangstür sind braun angestrichen. Die Architekturgliederungselemente sind weiß abgesetzt. Mit der neuen Farbgestaltung wollten die polnischen Restauratoren wohl an die ursprüngliche barocke Farbigkeit erinnern. Insgesamt ist das Haus in einem sehr guten Zustand; es dient als Verwaltungsgebäude der dortigen Landwirtschaft. Unmittelbar vor dem Herrenhaus, noch in dem barocken Hofgeviert, erstreckte sich der sogenannte Neue Park, eine kleine, wahrscheinlich erst 1894 gestaltete Grünfläche mit Teich (s.o.). Sie sollte dem neuen Herrenhaus das repräsentative Ambiente geben. Es gibt sie in vereinfachter Form noch heute. Das Hofgeviert mit seinen zum Teil noch barocken, im Falle des Schüttbodens sowie des im Inneren datierten (1785) Pferdestalles, südöstlich des neuen Schlosses sehr bedeutenden Bauten, verkommt als Gesamtanlage immer mehr.

Die Patronatskirche

Jenseits der unmittelbar hinter dem Herrenhaus und dem Schüttboden vorbeiführenden Dorfstraße mit ihren noch erhaltenen Siedlungshäusern befindet sich, in nur wenigen hundert Meter Entfernung nach Osten, auf dem Dorfanger die alte, der Heiligen Hedwig geweihte Patronatskirche und schräg gegenüber das kleine Mausoleum. Die Kirche gibt es mindestens seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Schottgau im Jahr 1279. Wahrscheinlich handelt es sich ursprünglich um eine Holzkirche. Hieran erinnert der noch heute erhaltene, frei stehende, sich nach oben verjüngende Holzturm, dessen Form sich wahrscheinlich aus Norwegen herleitet. Nach der Reformation entstand um 1550 das Langhaus in Fachwerkbauweise. Ein Jahrhundert später veranlaßte die Schlesische Kirchen-Reduktions-Kommission die evangelische Gemeinde wieder den katholischen Glauben anzunehmen. Die kleine Kirche wurde nach der Umwidmung mit einer einen Steinbau vortäuschenden Putzfassade versehen. So präsentiert sie sich noch heute; einzig die freiliegende Fachwerkwandzum Glockenturm hin erinnert an die Zeit vorher. Die Umwandlung der Kirche in ein katholisches Gotteshaus mußte im Dezember 1663 mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden. Trotzdem blieb der Patronatsherr evangelisch. Es gärte jedoch stets der alte Streit zwischen den Konfessionen weiter.

Die Kirche befindet sich heute in einem recht guten Zustand. Ihr ursprüngliches Holzschindeldach musste allerdings vor wenigen Jahren durch eine Blecheindeckung ersetzt werden. Die etwas vorspringende Sakristei an der Südseite befindet sich über der früheren Rothkirch’schen Gruft. Die bedeutende innere Ausstattung der Kirche stammt wesentlich aus dem 18. Jahrhundert. Die den Kirchhof umgebende Mauer aus Findlingen wurde 1935 von Oskar (1.486) errichtet. Die bis 1945 auf dem Kirchhof befindlichen Rothkirch’schen Gräber gibt es nicht mehr.

Das Mausoleum

Die Rivalität zwischen den Konfessionen dokumentiert sich in dem Mausoleum, das auf Wunsch von Carl Siegismund (1.269) für ihn von seinen Kindern errichtet wurde. Es liegt jenseits des Kirchhofes vis à vis der Kirche an der Dorfstraße. Das Mausoleum ist ein kleiner, klassizistischer, zylindrischer Bau mit geschwungener Dachhaube und bekrönender Urnenvase. Über eine flache Treppe gelangt man zu der hohen Eingangstür, über der sich eine Tafel befindet mit der früher in Gold gehaltenen Inschrift: ”Ruhestätte Carl Siegismund von Rothkirch, errichtet von seinen dankbaren Kindern.“ Das Mausoleum wird von vier hochovalen Fenstern belichtet. Unmittelbar unterhalb der Dachtraufe zieht sich ein schwungvoller Wellenbandfries um den Bau. Das Mausoleum war ursprünglich hellgelb verputzt mit steinfarben abgesetzten Rahmen um Tür und Fenster. Die alte Füllungstür mit geriffelten Feldern war grau gefasst. Den Innenraum mit kassettierter Kuppel hatte man weiß getüncht. In der Mitte stand ein ca 4,50 m hohes Grabmonument aus weißem und grauem Marmor mit dem Relief Carl Siegismunds und den vier Wappen der Rothkirch, Heugel, Hundt und Siegroth. Es bestand aus einem prismatischen Sockel, auf dem sich ein kanellierter Säulenstumpf mit dem Medaillonrelief und einer bekrönenden Vase erhob. Hinter dem Denkmal stand der einfache schwarze Sarg mit silbernen Nägeln und Marmorplatte.

Carl Siegismund, auch der „Gruftvater“ genannt, hatte in seinem Testament von 1791 seinen Kindern zur Auflage gemacht, das Mausoleum vis à vis der katholischen Kirche zu errichten. An seinem Todestag, dem 15. Dezember, sollte in jedem Jahr ein evangelischer Geistlicher bei geöffneter Tür, also im Angesicht der katholischen Kirche, eine Andacht halten und anschließend den Armen und Alten des Dorfes die Zinsen eines von Carl Siegismund gestifteten Legats schenken. Dies wurde zuletzt am 15. Dezember 1944 so gehalten.

Das Mausoleum ist heute als architektonisches Kleinod erkannt und entsprechend erhalten. Man hat es jedoch schlecht angemalt und die klassizistische Tür durch eine holzfarbene ersetzt. Ebenso fehlt die alte Inschrifttafel, die man durch eine solche mit polnischer Inschrift ersetzt hat. Die innere Ausstattung wurde zu Ende des zweiten Weltkriegs geplündert; von ihr ist nichts erhalten. Von der einstigen Bedeutung des Mausoleums kündet nur noch die Familientradition.



Literatur

Kurt Degen: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landkreises Breslau. Frankfurt 1965.

F. Wiedemann: Mit Sensen und Mistgabeln das Gotteshaus verteidigt. Breslauer Nachrichten Nr. 47. 1968.

Leopold Graf Rothkirch: Reisebericht. Mit Leonhard nach Polen, Schlesien und durch die Tschechoslovakei. Unveröffentlichtes Manuskript. Bonn 1988.

Elly von Rothkirch: Carl Siegismund von Rothkirch. Unveröffentlichtes Manuskript. Groß-Burgwedel 1962.

Toska von Tempsky: Bericht über das Haus Schottgau. Unveröffentlichtes Manuskript. Großburgwedel 1976.

Bundesanstalt für Landeskunde (Hrsg.): Amtliches Gemeinde- und Ortsverzeichnis der deutschen Ostgebiete unter fremder Verwaltung. Band II und III. Remagen 1955.

Valerius Freiherr von Rothkirch: Stammbuch des Geschlechts von Rothkirch. Breslau, Joseph Max & Comp. 1879.

Bilder

Gr. Schottgau, Mausoleum Carl Siegismund von Rothkirch,Foto: Elisabeth Pedersen (1.536), 1973.

Gr.Schottgau, Mausoleum von Süden, Foto: Adalbert von Tempsky, 1988.

Gr. Schottgau, sogenanntes „Schlössel“ von Südosten, Foto: Adalbert v. Rothkirch, 1935.

Gr.Schottgau, sogenanntes „Schlössel“ von Südosten, Foto: Leopold Graf Rothkirch, 1988.

Haus Schottgau, Südseite. Foto Adalbert von Rothkirch, 1935.

Haus Schottgau von Südwesten, Foto Adalbert von Tempsky, 1989.

Gr.Schottgau, Patronatskirche von Süden,
Foto: Dorotheus Graf Rothkirch, 1989.

Gr.Schottgau, barocker Schüttboden von Süden,Foto: Dorotheus Graf Rothkirch, 1989.